Überparteiliches Podium zur AHV-Reform

19.9.2022     Hilde Fässler     St.Galler Tagblatt 15.9.22

Fels in der Brandung oder Gerechtigkeit für Frauen schaffen? Darüber wurde am AHV-Podium diskutiert. Bericht von Adi Lippuner

Sie kreuzten die Klingen (von links): SVP-Kantonsrat Sascha Schmid, die Kantonsrätinnen Barbara Dürr, Mitte; Karin Hasler, SP; Katrin Schulthess, SP, und Gesprächsleiter Christoph Wick. Bild: Adi Lippuner

Fels in der Brandung oder Gerechtigkeit für Frauen schaffen? Darüber wurde am AHV-Podium diskutiert.

Adi Lippuner

Die bevorstehende Abstimmung über die AHV-Reform und die Erhöhung der Mehrwertsteuer gaben am Dienstagabend im «Buchserhof» Stoff für eine engagierte Podiumsdiskussion. Unter der Leitung des Kantonsschullehrers Christoph Wick kreuzten beim überparteilichen Anlass Karin Hasler und Katrin Schulthess, beide SP-Kantonsrätinnen als Gegnerinnen, sowie Mitte- Kantonsrätin Barbara Dürr und SVP-Kantonsrat Sascha Schmid als Befürworter ihre Klingen. Für Christoph Wick ist es «die wichtigste Abstimmung dieser Legislatur».
Als umstrittenster Punkt gilt die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Da setzten sich die Gegnerinnen vehement dafür ein, dass zuerst alle «Ungerechtigkeiten» wie tiefere Frauenlöhne, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch vermehrte Möglichkeiten der Teilzeitarbeit für Männer und ganz besonders die ungleichen Voraussetzungen bei der zweiten Säule verbessert werden müssen.

Schrittweise vorgehen: Zuerst AHV, dann BVG
Die Befürworter-Seite warf den Erhalt des wichtigen Sozialwerks in die Waagschale und argumentierte, dass mit einer Annahme der Vorlage die AHV für die kommenden zehn Jahre gesichert sei. Zudem könnten dann die weiteren Anliegen wie die berufliche Vorsorge (BVG) als nächster Schritt in Angriff genommen werden. Kritisiert wurde auch, dass das Gesamtpaket, Revision von AHV und BVG im Jahr 2017, bei der Volksabstimmung verworfen wurde.

Geht es um die bisherigen Anstrengungen rund um die AHV-Revision, zeigt ein Blick auf die Jahreszahlen, dass seit der Einführung im Jahr 1948 bereits einige Versuche gestartet wurden. 1997, bei der 10. AHV- Revision, wurden Einzelrenten, Erziehungs- und Betreuungsgutschriften eingeführt, seither gibt es die Möglichkeit des Rentenvorbezugs und das Frauenrentenalter wurde von 62 auf 64 Jahre erhöht. Zwischen 2004 und 2010 scheiterten Revisionsvorlagen bei Volk und Parlament.

«Düstere Prognose aus der Luft gegriffen»
Für Karin Hasler ist klar: «Der Referenzwert, Anzahl Junge und Pensionierte, ist nicht entscheidend, es geht um die gestiegene Gesamtlohnsumme. Vielmehr sollten die Lohnprozente erhöht werden, damit sehr gut Verdienende mehr einzahlen.» Ihre Kollegin, Katrin Schulthess doppelte nach: «Das Umlagedefizit ist nicht nachvollziehbar und die düsteren Prognosen sind völlig aus der Luft gegriffen. Bevor unsere Anliegen wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht geregelt sind, muss nicht über eine AHV-Reform geredet werden.»
Für Sascha Schmid steht nicht die Erhöhung des Frauenrentenalters im Zentrum. «Vielmehr geht es um die Umsetzung der Gleichberechtigung auch auf dieser Ebene.» Eine Sicherung könne nur mit der Revision erreicht werden. «Die von Links immer wieder eingebrachte Geschlechterfrage passt einfach nicht dazu.» Und Barbara Dürr doppelte nach: «Es gibt bei jeder Vorlage Argumente, was noch zuerst erledigt werden müsste oder mit einbezogen werden könnte. Wir müssen vorwärts machen, und bei der aktuellen Abstimmung ist die Flexibilisierung beim Rentenalter ein Pluspunkt.»
Voten aus dem Publikum stärkten vorwiegend die Position der Gegnerinnen. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass die Generation, die demnächst in Rente kommt, vielfach nicht die gleichen beruflichen Chancen hatte wie heute. 
«Gerade Frauen haben deshalb schlechte Rentenaussichten», so eine der Aussagen.  Sascha Schmid warf ein Zitat von Winston Churchill in die Waagschale: «Man löst keine Probleme, indem man sie auf Eis legt.»